Photography: PIXABAY -lizenzfrei – Photoshop Rob van de Gall

Zu Beginn möchte ich betonen, dass dieses Reflektions-Tagebuch während meiner ersten qualifizierten Entgiftung entstanden ist. In erster Linie habe ich es für mich selbst und im Sinne der Eigentherapie geschrieben.  Es ist ebenfalls die Aufarbeitung meines Rückfalles.
Jedem, der hieraus einen Nutzen ziehen kann, dem kann ich nur viel Kraft, Energie und Erfolg wünschen.

Der Rückfall, er passiert, wenn man nach längerer Zeit leider doch wieder zum „verdammten“ ersten Glas greift.
Es es gibt nur eine Möglichkeit, eine qualifizierte Entgiftung! Es ist die einzige Notbremse die mir selbst geblieben ist.

RÜCKFALL Substantiv, maskulin [der] – erneutes Auftreten einer scheinbar überstandenen Krankheit

Verwechselt nicht Ausrutscher und Rückfall! Ein Ausrutscher ist so etwas wie ein „Fehltritt“: Die Person konsumiert ein oder mehrmals, jedoch in kleinen Mengen, dann verzichtet sie vollständig auf das Trinken. Ein Rückfall liegt dann vor, wenn die Kontrolle völlig verloren geht und getrunken wird wie zuvor.

VORGESCHICHTE Tag „NULL“

Nun war es soweit, nach meiner Langzeittherapie in der wirklich sehr guten Weser Ems Klinik, war ich eine lange Zeit abstinent und wirklich gut im Leben unterwegs. Leider habe ich wieder zum berühmt berüchtigten und verteufelten „ersten Glas“ gegriffen. Hier fing der schleichende Rückfall an. Vorher hatte ich sog. Ausrutscher, diese wurden jedoch mehr und dann zum echten Rückfall. Schleichend, damit meine ich, das es am ersten Tag beim ersten Glas blieb, aber leider vom zweiten Tag an immer mehr wurde, es gab auch Phasen des „nichtrinkens“. Aber es wurde dann über Wochen und Monate bis hin zu Flasche Wodka am Tag mit Medikamenten ( Tavor ) und Joints immer mehr uns somit zum Kontrollverlust. Also wirklich bis zum täglichen Filmriss. Ich habe meine Umgebung, Familie, Arbeit und eigentlich alles nicht mehr wirklich wahr genommen und vollkommen die Kontrolle über mein Leben verloren. Im Vorfeld der qualifizierten Entgiftung war ich noch der Meinung ich kann einfach von selbst aufhören, habe auch noch den Hausarzt um Hilfe in Form von Tabletten gebeten ( Tavor ) um den Entzug leichter zu gestalten, das Ergebnis waren einige Versuche von höllischen kalten Entzügen, dann eine Mischung von Alkohol, Tabletten und auch noch Cannabis (also genau das Gegenteil, es wurde noch fataler).

Als ich fast an meinem eigenen Erbrochenen erstickt wäre und meine Frau mich davor gerettet hat, wusste ich, ich habe keine andere Chance als mir professionelle Hilfe zu suchen und eine qualifizierte 21 tägige Entgiftung anzustreben.

Anzustreben, ich musste leider das Wort in der Realität kennen lernen. Ich habe mit meinen aller letzten Kräften beim Hausarzt eine sogenannte „Verordnung von Krankenhausbehandlung“ mit dem Attribut “ NOTFALL“ bekommen. Zuerst für die Klinik in Lilienthal.

Als ich dann am 27.04.22 dort aufgeschlagen bin, nüchtern mit 0 Promille und zitternd kaum gehen könnend, das nach kaltem Entzug ( was nicht zu empfehlen ist und aus medizinischer Sicht auch gefährlich ist ), wurde ich kurz untersucht. In den Notaufnahme wurde mir gesagt, dass Personalnotstand herrschen würde und auch keine Betten für Fälle wie mich frei wären. Es gab ein Angebot, dass ich in der Notaufnahme übernachten könne. Ich haben zum damaligen Zeitpunkt allem zugestimmt, da ich am Ende war und einfach nur medizinische Hilfe gesucht habe. Nun gut, der Strohhalm war nach 15 Minuten schon wieder geknickt, da plötzlich der Chefarzt in ziviler Kleidung zu mir kam und meinte, dass solche Fälle wie ich es sei im Klinikum Lilienthal nicht behandelt werden. Der Schock und die Enttäuschung waren sehr groß bei mir. Es sollte mir noch Blut abgenommen werden und auch ein Röntgenbild sollte von meinem Brustkorb (Lunge) gemacht werden. Dem habe ich direkt widersprochen, da ich ja ohnehin nicht dableiben durfte. Als ich gehen wollte, sollte ich noch ein Formular unterschreiben, dass ich gegen den ärztlichen Rate gehen würde….. was für eine Farce und welches Paradoxon ist dass denn? Ich habe dann aus Wut und im extremen Entzugszustand gesagt, ob mir der Arzt auch ein Formular unterschreiben würde aufgrund unterlassener Hilfeleistung trotz Einweisung und Notfall durch den Hausarzt. EGAL…ich musst ja gehen und war dann wieder zu Hause am trinken….

Mein Hausarzt konnte das kaum glauben und hat mir nun eine Notfalleinweisung für das Ameos Klinikum in Debstedt (spezialisierte Klinik für Akutbehandlungen bei Suchterkrankungen) ausgestellt. Nach einigen Telefonaten und einer Platzierung auf der sog. Warteliste wurde mir wieder klar, oh Mann ….ein Notfall ist kein Notfall sondern landet auf der Warteliste. Telefonisch kam immer wieder die Frage, sind Sie Suizid gefährdet ? Innerlich und ehrlich war ich es nicht und wollte es auch nicht manipulativ sagen, dann wäre ich sofort in die geschlossene Psychiatrie gekommen und mein Ziel war in erster Linie eine körperliche und qualifizierte Entgiftung. Diese Einweisung wurde am 06.05.22 erstellt, aufgenommen wurde ich dann letztendlich durch bitten und betteln in einem Verzweiflungszustand erst am 24.05.22. Die Diagnosewerte könnt Ihr im Anschluss sehen….

Was soll man jetzt hierzu noch sagen? Ist es wirklich von den Krankenkassen, Kliniken und dem deutschen Gesundheitssystem so gewünscht, dass man die 112 wählt und sich per Notarztwagen in das Klinikum fahren lässt um überhaupt aufgenommen zu werden? Sind die Pflegekräfte und Krankenwägen ohnehin nicht überbelastet und absolut im Personalnotstand. Spielt hier Geld nicht wirklich eine Rolle weil das Gesundheits-System falsch aufgestellt ist? Viele Fragen und keine Antworten.  Aber nun gut, so ist das einfach und ich war froh, dass ich überhaupt einen Platz am 24.05.22 bekommen habe.

Das war in kurzen Abrissen die Vorgeschichte vom absoluten Kontrollverlust bis hin zum Platz im Krankenhaus. Mit Kontrollverlust meine ich täglichen Filmriss nach 1-2 Flaschen Wodka in Kombination von Tavor und einigen Joints. Also verehrend für das Umfeld, meinen Körper und Geist. Vollkommener Kontrollverlust auf allen Ebenen im Leben.  Einige Punkte werde ich später noch beschreiben, unteranderem welchen Schaden ich bei meiner Frau, in der Familie, bei Freunden in der Arbeit und auf meinem Bankkonto angerichtet habe. Auch werde ich nach dem Kliniktagebuch berichten, wie und in welcher Form ich den Rückfall be- und verarbeitet habe. Nun zu den einzelnen Tagen, Empfindungen und Gefühlen.

TAG 1 –  Aufnahme in der Klinik – 24.05.22 – Dienstag

Ich führte im Vorfeld unzählige Telefonate mit dem Klinikum am Seepark mit der Bitte um sofortige Aufnahme. Es sollte nicht sein, ich musste gut einen Monat warten. Nun war es soweit, ich hatte gestern mit Frau M. von der Aufnahme in der Ameos Klink ein Telefonat, sprich dass ich morgen, bzw. heute am 24.05.22 zwischen 8 und 10 Uhr aufgenommen werden konnte. Ich habe eine sehr liebe Freundin gefragt, ob sie mich dort hinbringen könnte, das hat geklappt. Sonst wären es 3,5 h mit Bus und Bahn und Wartezeiten gewesen, was ich in meiner Lage, körperlich und geistig, gar nicht geschafft hätte. Dort angekommen, war die Aufnahme einfach und problemlos. Lediglich sollte ich ein Formular ausfüllen und ich war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage einen Stift zu halten, geschweige den zu Schreiben vor lauter Zittern. Ich wurde der Station 2 E zugewiesen, direkt bei der Aufnahme musste ich „pusten“ und hatte 1,69 Promille. Dies hieß im Umkehrschluss ich durfte das Krankenzimmer erstmal nicht verlassen. Es war ein Zweibettzimmer und ich war Anfangs alleine, soweit ich mich noch erinnern kann.

Beim Zimmer hatte ich Glück, was ich in den ersten Tagen nicht wirklich wahrgenommen hatte. Einerseits alles sauber und direkt am Fenster mit Blick ins Grüne, besser als Fernsehen. Und auch mein Zimmergenosse Basti war sehr nett und angenehm mit guten Charakterzügen. Somit Glück gehabt mit dem Zimmer und auch mit meinem Zimmergenossen. Das alles habe ich natürlich nicht wirklich wahr genommen in den ersten Tagen. Um ca. 18 Uhr hatte ich meine Promille abgebaut und ich war auf „0“ somit dürfte ich das Zimmer verlassen, zwar wackelig, aber ich hatte großen Schmacht nach einer Zigarette. Leider hat mich an diesem Tage keiner in die Station grundsätzlich eingewiesen , somit musste ich mich durchfragen, wo ich Wasser bekomme, wann und wie es evtl. etwas zu essen gibt und einfach wie der Laden hier läuft. Das viel mir sehr schwer, da ich ja auf dem Höllentrip > Entzug war.

Am Nachmittag, soweit ich mich erinnern kann, wurde ich von einem Vertretungsarzt untersucht. Motorik, die nicht wirklich funktionierte ( mit geschlossenen Augen auf einem Bein stehen ), Blutentnahme und allgemeine Bestandsaufnahme. Da ich auf Alkohol und Tavor Entzug war, habe ich Abends etwas bekommen um überhaupt etwas ruhiger zu werden und um schlafen zu können. Was das war, kann ich heute  nicht mehr sagen, zumindest wurde mir von medizinischer Seite bei meiner ersten Entzugsnacht geholfen. Mehr kann ich zu Tag 1 nicht schreiben, weil diese Gehirnzellen heute beim Verfassen des Tagesbuches nicht mehr vorhanden sind.

TAG 2 –  Wo bin ich hier nur gelandet  – 25.05.22 – Mittwoch

Heute am zweiten Tag, bin ich bereits um 4 Uhr aufgewacht und war zitterig und wackelig. Körperlich voll im Eimer und auch geistig wurde mir langsam klar, ich bin in einer Entzugsklinik. Dementsprechend hatte ich mehr als schlechte Laune und war sehr dünnhäutig im Sinne von Reizüberflutung und Agressivität. Da ich am ersten Tag nicht wirklich eingewiesen wurde, versuchte ich mir zumindest mal in der Früh einen Kaffee zu organisieren und eine Zigarette rauchen zu gehen. Es war alles neu, ungewohnt und irgendwie gruselig. Plötzlich der Realität ins Auge sehen zu müssen an einem fremden Ort mit unbekannten Gesichtern (Pfleger(innen) / Mitpatienten). Auf der Pinnwand hatte ich zufällig meinen Namen entdeckt und auch auf dem Wochenplan den ich am ersten Tag erhalten habe, aber nicht wirklich wahr genommen hatte, stand mein Name. Es drehte sich um einen Termin zur sogenannten Oberarzt Visite. Ich glaube ich war so um 10 / 10.30 dran. Es begrüßte mich die Oberärztin und eine Psychologin. Nennen wir Sie einfach mal Frau Doktor H. und Frau S. Die Begrüßung und auch das Gespräch waren sehr empathisch und einfühlsam, ich hatte schnell meine Angst und Unsicherheit verloren und habe losgebrabbelt. Was im Detail genau gesagt habe, weiß ich nicht mehr wirklich (Ihr wisst ja, dass mit den sterbenden Gehirnzellen). Ich habe beiden erzählt, warum ich hier bin, was ich genommen hatte und dass ich dringend Hilfe im Sinne von qualifizierter Entgiftung benötige. Das Gespräch fand im Fernsehraum statt.

Wie gesagt, viel kann ich nicht dazu sagen was ich erzählt habe, ich weiß nur noch, dass mir erklärt wurde, dass die Vermischung von Alkohol und Tavor sehr gefährlich ist. (Tavor ist ein verschreibungspflichtiges Schlaf- und Beruhigungsmittel (Tranquilizer), das zur Arzneimittelgruppe der Benzodiazepine zählt. Es wird zur Behandlung von Epilepsien, als Narkosemittel und zur Beruhigung eingesetzt). Nach Vorschlag der Oberärztin sollte ich für den Entzug ab sofort 4 mal täglich 5 mg Diazepam bekommen. ( Diazepam gehört zur Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine. Es wirkt angstlösend, muskelentspannend, krampflösend und beruhigend. Diazepam verstärkt die Wirkung des körpereigenen Neurotransmitters Gammaaminobuttersäure (GABA), der die Erregungsfähigkeit von Nervenzellen reguliert ).

Da ich in meiner Suchthistorie schon öfters bei den unzähligen Versuchen einen kalten Entzug zu machen, vom Hausarzt als unterstützendes Mittel Diazepam Tabletten ( 1mg ) erhalten hatte, war ich etwas verstört über die hohe Dosierung. Aber nun gut, ich vertraute der Ärztin und akzeptierte die Medikation für den erstmal körperlichen Entzug ( was heißt vertraute, ich war eigentlich nur froh hier sein zu dürfen und hatte ohnehin keine andere Chance nach jedem kleinen Strohhalm zu greifen). Für mich hieß das am gleichen Tag und auch die nächsten Tage von dem einen unklaren geistigen Zustand in einen anderen geistigen unklaren Zustand zu kommen, dies aber mit dem Vorteil, dass mein Körper beim Entzug unterstützt wird, bzw. nicht so extrem wie bei einem kalten Entzug beansprucht und strapaziert wird.

Als ich Mittags nach dem Essen das erste mal diese Tropfen ( 5 mg ) erhalten hatte, musste ich direkt wieder ins Bett. Schwindelgefühle, totale Erschöpfung, Müdigkeit…. einfach wirklich fertig auf und mit dieser Welt. Ich habe dann den gesamten Nachmittag geschlafen, hatte um 18 Uhr wenig bis keinen Hunger und bekam um 18.30 bereits wieder erneut 5 mg, dies dann auch nochmals um 21.30 Uhr. Es war echt krass, wie dieses Medikament einen richtig ausgeknockt hat. Zumindest habe ich geschlafen und geschlafen und konnte meinem Körper eine Art Regeneration geben. Geistig in meiner Denkstruktur und im Tun und Handeln war ich nicht am Planeten Erde. Trotz des Entzugsmedikamentes war der körperliche Entzug richtig schwer zu verkraften, ich wachte Nachts auf und mein T-Shirt war so verschwitzt als hätte ich damit geduscht.

TAG 3 –  Blutbild und der erste Schock  – 26.05.22 – Donnerstag

Am Tag 3 bekam ich natürlich direkt um 7 Uhr früh wieder diese Tropfen ( es wurde ja angeordnet 4 mal am Tag ). Ich versuchte meinen Tag einigermaßen vernünftig auf die Reihe zu bekommen, aber es fing schon in der früh an, als ich meinen Koffer mit Zahlenschloss nicht öffnen konnte. In meiner Verwirrtheit habe ich einen Krankenpfleger nach einem Schraubenzieher gefragt, den ich natürlich nicht bekommen habe. Da ich in die Klinik mit einem festen Willen gekommen bin und es auch meine Art ist, versuchte ich beim Stationsarzt Dr. A. einen Termin zu bekommen. Ich musste nicht lange warten und hatte ein Gespräch. Wir sprachen, bzw. ich wollte wissen wie mein Blutbild aussieht ( Leberwerte ).

Zunächst war ich erstaunt, dass meine Leberwerte nach einem halben Jahr exzessivem Trinkens in der Norm waren, aber dann kam schon die erste Hiobsbotschaft. Ich hatte extrem erhöhte Zuckerwerte und der Arzt sprach von Diabetes und das wir hier eine Art Langzeit / Tagesmessung vornehmen müssten um das genauer zu betrachten. Super…. Diabetiker durchs „saufen“. Mehr sorgen machten mir die sog. “ Bilirubin“ Werte. Diese Werte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Bauchspeicheldrüse. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) ist eine der gefährlichsten Krebserkrankungen und wird meist so spät entdeckt, dass Patienten nicht mehr operiert und geheilt werden können. Diese Erkenntnis hat mich mehr als fertig gemacht, da meine Mutter an dieser schrecklichen Krankheit bzw. deren Folgen nach einer OP verstorben ist. Der Arzt meinte, ich solle mir noch keinen Kopf machen, aber es mache dennoch Sinn, das weiter im Auge zu behalten, sobald ich aus der Klinik bin. ( Hausarzt – Krebsvorsorgeuntersuchungen – da genetisch vorbelastet ).  Da ich ohnehin schon deprimiert war, schlecht drauf war, entzügig war, hätte es ja auch nicht besser kommen können, als noch solche Nachrichten zu bekommen. Da helfen die Top Leberwerte auch nichts mehr. Ich habe mich an diesem Tage in mein Zimmer unter die Bettdecke verzogen und immer auf die Zeiten gewartet, damit ich meine Medikamente bekomme und schlafen kann, alles andere war mir zu diesem Zeitpunkt richtig „Scheißegal“.

Ich fühlte mich in ein schwarzes Loch gezogen und absolut am Tiefpunkt, neben dem Entzug, dem Zittern, dem Schwitzen….einfach richtig unten. Hier kam mir zum Vorteil, das ich 12 Jahre Psychotherapie hinter mir hatte und ich unterbewusst irgendwie wusste, wie man in keine Depression fällt.  Zum Thema Depression gibt es das geniale Buch “ Der schwarze Hund „  Kann ich nur wärmstens empfehlen, mir hat die Psychotherapie und begleitend das Buch sehr geholfen meine Despressionen zu überwinden.  Und ich habe ja auch einen schwarzen Hund in echtem Leben ( bedingungslose Liebe und mein Hund ADA hat mir auch geholfen Depressionen zu überwinden und letztendlich den „schwarzen Hund “ = die Depression, an die Leine zu legen).  Aber wie gesagt, 12 Jahre Psychotherapie machen sich dann doch irgendwie bemerkbar. Danke an dieser Stelle an Herrn Dr. O ( 76 Jahre ), eine unglaubliche Begegnung in meinem Leben. Mein Glück im Leben will es so, dass ich heute noch Kontakt mit Ihm haben darf.

Aber zurück zur Klinik und zum höllischen Entzug mit diversen Hiobsbotschaften, wie das Blutbild. Der einfachste Weg in diesem Moment war Diazepam und einfach nur versuchen zu schlafen. Bei den Anonymen Alkoholiker sagen wir immer, gute 24 h und so habe ich versucht das zu halten, bzw. den Tag rum zu bringen und nicht an gestern und morgen zu denken. Zu diesem Zeitpunkt war das „neben“ dem Entzug extrem schwer und geistig kraftraubend. Zum heutigen Zeitpunkt an dem ich das alles niederschreibe, einfach ein weiterer Zustand in der Vergangenheit > aus dem ich heute gelernt habe und der mich noch stärker macht als ich jemals zuvor war.

TAG 4 –  Horrorfilm oder Realität – 27.05.22 – Freitag

Heute am Tag 4, hatte ich beim Aufstehen den Schock von gestern einigermaßen verdaut. Es wurde aus medizinischer Sicht und auf Anordnung von unserem „coolen“ Stationsarzt direkt über das Pflegeteam gehandelt. Es wurde mir durch Stefan B (sehr empathischer, ruhiger und fürsorglicher Pfleger und der Anwalt der Patienten) erneut Blut abgenommen und direkt ein Blutzuckertest (pieken mir direkter Analyse des Blutzuckerwertes) gemacht. Das Ergebnis war erfreulich. Der Blutzuckerwert sollte sich bei einem Menschen in meinem Alter und Gewicht unter 126 mg/dl bewegen. Meine Tageswerte waren um 07:15 bei 90mg/dl, um 12:05 bei 96mg/dl, um 17:15 bei 141 mg/dl (Ausschlag kann mal vorkommen ) und um 21:30 bei 106 mg/dl. Lt. Pfleger ein sehr gutes und beruhigendes Ergebnis. “ ich bräuchte mir keine Sorgen machen “ bzgl. der ersten Werte. Da Blutzucker in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bilirubin Wert steht, war ich schon mal etwas beruhigter, auch wenn mir geraten wurde, das nach der Klinik im Sinne von Krebsvorsorge auf jeden Fall im Auge zu behalten. Nun ging es aber direkt zur nächsten Herausforderung. Ich war ja hier in einer Klinik für Suchtkranke und Entzug, so dachte ich zumindest. Wohl gefehlt, stand ja groß überall dran:

Ich war in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit Akutbehandlung bei Abhängigkeit. Sprich die Wahrheit war, dass ich auf Station 2E ohnehin irgendwie ein beklemmendes und sehr bedrückendes Gefühl vom ersten Tag in Bezug auf meine Mitpatienten hatte. Damit meine ich nicht Basti meinen Zimmergenossen, sondern andere hilfesuchenden Menschen auf der Station. Ich hatte viele schräge Begegnungen mit Mitpatienten, die mir wirklich ganz ungute „Stripes“ / Schwingungen vermittelt hatten. Der Horrorfilm im Übergang zur Realität war dann tatsächlich, dass auf der Station ein buntes und gemischtes Volk mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern vorherrschte.

  • Abhängigkeitserkrankungen / Suchtproblematik / Alkohol, Drogen, Medikamente usw. ( kennt Ihr ja von diesem Projekt „raus aus der sucht“
  • Ängste und Zwänge. Ängste, Phobien, Panik und Zwang
  • Belastungsstörung und Trauma
  • Borderline
  • Burn-out
  • Depression und Bipolare Störung
  • Essstörung
  • Psychose und Schizophrenie

Na Servus! Ich wusste zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht damit umzugehen, bzw. das Thema „Abgrenzung“ ( auf das ich später noch eingehen werde ) anzuwenden. Irgendwie fühlte ich mich aufgrund meiner schlechten Laune in Kombination von extremer „Dünnhäutigkeit“ verarscht. Frust- und Toleranzvermögen waren zu diesem Zeitpunkt extrem unterbelichtet und nicht wirklich vorhanden. Das Ganze und damit meine ich mein Umfeld, die Menschen die ebenfalls das Recht auf professionelle Hilfe haben, dies aber mit oben genannten Krankheitsbildern, hat mich extrem bedrückt, runtergezogen und verwirrt. Nennen wir es mal vorsichtig Anflug von Paranoia: (Die Bezeichnung „Paranoia“ umfasst eine Reihe an Gedanken und Wahrnehmungen. Dazu gehören Phänomene wie das Gefühl bedroht zu werden, Verfolgungswahn oder sogar schwerwiegende psychotische Zustände). Ich wusste einfach nicht damit umzugehen und habe das in vielen Situationen auf mich überspringen / abfärben lassen. Das war in keinster Weise förderlich für meinen Entzug – körperlich aber vor allem geistig.  Es war sehr belastend und stressig. Für mich war die Station zu diesem Zeitpunkt/ der Flur des Schreckens.

Mit diesem Bild möchte ich keinem meiner Mitpatienten zu Nahe treten, jeder der hier ist, hat den Weg in die Klinik geschafft und das Recht auf Hilfe. Ich drücke mit dem Bild lediglich meine Gefühle und Empfindungen während meines Entzuges aus. Ich hatte ja so etwas wie Fixierungen, extreme Aggressionsausbrüche und total verwirrte Begegnungen noch nie in dieser Form, in meinem Leben erlebt und letztendlich aushalten müssen. Im Nachhinein und wiederum auf die Vergangenheit zurückblickend hat es mir sogar mit meiner Relationsstrategie ( Werkzeug für Rückfallprävention ) geholfen, dass ich erkennen konnte, dass ich ja noch gut dran bin. Zwar mein Leben lang Suchtkrank bleiben werde, aber das zumindest nicht alle neuronalen Verbindungen unwiderruflich defekt und irreparabel bei mir selbst sind.  Relationsstrategie heißt bei mir, wenn man das Leid anderer sieht und es einigermaßen versteht, dann geht es einem besser, weil man selbst gar nicht so schlimm dran ist. Das hat nichts mit Mitleid zu tun, sondern nur mir ganz klaren Relationseinschätzungen von einem selbst. — bei mir funktioniert das meistens — Hätte ich einen streuenden Gehirntumor, wäre es vorbei, habe ich „nur“ eine lebenslange Suchtkrankheit im Leben, kann „ich“ selbst noch eingreifen und etwas tun und das erste Glas stehen lassen. Relation ist auch, ich habe den Luxus, dass ich überhaupt in einem funktionierendem Krankenhaus bin, es gibt Menschen aufgrund der aktuellen Weltgeschehnisse ( Ukraine ), deren Krankenhaus weggebombt ist und akute Traumata gegenwärtig gar nicht behandelt werden können. Also, warum Maße ich mir überhaupt an zu urteilen? – weil es meine Gefühle und Stimmungen in meiner aktuellen Lebenssituation in Norddeutschland sind.

TAG 5 –  Aufstehen ist schwer – 28.05.22 – Samstag

Wenn man hinfällt ist es immer schwer wieder aufzustehen. Aus meiner Sicht und auch mein ganzes Leben lang, stehe ich immer wieder auf, auch wenn es in vielen Situationen extrem viel Kraft kostet. Am Tag 5 war ich schon etwas fitter und habe initiativ das Gespräch mit dem Stationsarzt gesucht, dies mit der Bitte meine Medikation im Sinne von Diazepam zu reduzieren, bzw. auszuschleichen. // hier wird das „auströpfeln genannt //. Der Artz hat zugestimmt und meine Dosis wurde am gleichen Tag noch reduziert. Der Pfleger Stefan B. meinte auch  “ Herr Galler, Sie sind der Chef hier im Ring“, dies hat mich zusätzlich bestärkt.

Nachdem ich diese Initialzündung von mir aus eingeleitet hatte, habe ich versucht den ersten längeren Spaziergang zu machen. Daraus wurde eine Busfahrt in den nächsten kleineren Ort. Langen heißt der Ort und man ist mit dem Bus in 8 Minuten bei gerade mal 6 Stationen schon da. Ich habe das gemacht und ein paar Kleinigkeiten eingekauft ( Duschgel und Zahnpasta).

Als ich wieder zurück war, so nach ca. 2 Stunden, habe ich einen totalen Zustand der Erschöpfung bemerkt. Dies sicherlich körperlich, obwohl ich den Bus genommen habe, aber auch geistig, da der REWE Markt und Rossmann ( die Menschen und vielen Waren ) eine heftige Reizüberflutung bei mir ausgelöst haben. Die kleinen Flachmänner an der Kassen haben mich gar nicht interessiert, ich habe einen kurzen Blick geworfen und mir gedacht “ Ihr kleinen Arschlöcher“ und dann gezahlt.  Guter Versuch der Ausflug, aber vielleicht doch etwas Zuviel.  Entzug mit Diazepam ist nun mal kein Spaziergang. Das hat mich aber noch mehr bestätigt, dass ich das Medikament zügig absetzen will. Ich möchte wieder klar im Kopf werden. Benebelt und nicht am Planeten Erde war ich die letzten Monate und ich habe echt die Nase gestrichen voll, von diesem Zustand.

TAG 6 – Rückzugsorte  – 29.05.22 – Sonntag

Einigermaßen gut gelaunt und früh aus dem Bett gekrabbelt habe ich den Sonntag ( Tag 6 ) begonnen. Ich bin die ganze Klinik abgewandert. Dies im Innen- und auch Außenbereich. Bei diesen Erkundungsgängen, die mir bestätigt haben, ich fange wieder aktiv an, am Leben teilzunehmen, habe ich ein paar sehr schöne Plätze entdeckt. Ich habe diese Plätze drinnen und draußen Rückzugsorte genannt.

Neben einer sehr schönen Außenanlage mit viel Grün und beruhigenden Elementen, konnte ich für mich einige Rückzugsorte finden. Hier war ich alleine und musste die Leidensgeschichten und „täglich grüßt das Murmeltier Erzählungen“ der anderen nicht über mich ergehen lassen. Ich konnte einfach Stille finden und konnte mich dadurch auch ein wenig festigen und stabilisieren. Da es auf der gesamten Station kein WLAN gibt und auch mein Handy eine rattenschlechte Verbindung im O2 Netz hier hat, war ich ziemlich happy als in der Cafeteria ein freies WLAN entdeckt hatte. Jetzt war die Welt wieder in Ordnung, da ja gutes Internet heutzutage und auch besonders bei mir, zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Leider hat diese besagte Cafeteria am Wochenende zu, ich hatte allerdings einen Außenaufzug gefunden mit dem ich auf die Dachterrasse fahren konnte und das WLAN mit schönster Aussicht und absoluter Ruhe ohne Menschen oder Besucher ( hier herrschte Besuchsverbot / Corona ) genießen durfte.

An diesem Tag merkte ich, dass ich langsam wieder „der alte und ursprüngliche meinem Naturell entsprechende Robert werde“….langsam aber Tag für Tag in die richtige RICHTUNG. Ich habe plötzlich nicht mehr nur die Probleme von mir und den anderen gesehen, ich bemerkte viel mehr positive Dinge  in meiner Wahrnehmung, die ich für mich und meine Stabilisierung & Entgiftung nutzen konnte.

Im Flur des Schreckens mit Zombies, wurden plötzlich wieder positive Empfindungen gespeichert. Die so unglaublich wichtige „ACHTSAMKEIT“ gewann erneut wieder Potential bei mir und wuchs täglich. Ich habe Dinge gesehen, gehört und bemerkt, die mir in den ersten Tage überhaupt nicht aufgefallen sind. Da wären zum Beispiel Louise Ihre 3 Kinder und Waldemar der Vater. Eine Familie von Austernfischern ( Vögel ). Die wohnen hier direkt am Dach in der Klinik. Ich habe das in den Vortagen öfters mit dem linken Auge beobachtet, nun war ich soweit, dass ich diese wundervolle Familie 3-4 mal pro Tag bewusst und ohne Zeitnot einfach nur besucht habe. Ihr merkt, ich haben denen auch gleich Namen verpasst (wie dumm menschlich, aber gut, mir tut das gut).

Vorher wusste ich gar nicht was Austernfischer sind, nun sehe ich das soziale Verhalten dieser Tiere und wie die Jungvögel täglich größer werden und ihr Federkleid farblich verändern. All diese Feststellungen und Eindrücke haben mich von Stunde zu Stunde besser gestimmt, da es es Schritt für Schritt, langsam und in kurzen Etappen in der Klinik für mich weiter ging. Dies am Tag 6 von 21 bereits festzustellen und um Reduzierung der Medikation gebeten zu haben, war und ist für mich der richtige und einzig wahre Weg. Ein großes DANKESCHÖN hier an die „höhere Macht“.

TAG 7 –  Levetiracetam und das Abgrenzungsgespräch – 30.05.22 – Montag

YES, Montag, 1 Woche hier und der Tag beginnt gut. Medikation nur noch Abends und morgen das letzte mal. Gute Voraussetzung, wäre da nicht die Nüchternheit, das Bewusstsein und die Klarheit im Kopf schon etwas besser geworden. Es liegt klar auf der Hand, dass das Leben in Abstinenz und Nüchternheit, das einzig wahre Leben ist. Nachteilig würde ich bewerten, dass wenn man eine hohe Auffassungsgabe besitzt und sehr sensitive Fühler hat, dass man ab und zu einfach Zuviel mit bekommt und wahr nimmt. Das ist nicht immer gut, hier in der Klinik aber auch privat zu Haus oder im Beruf.  So kam es zur Situation, dass ich direkt morgens bei den Pflegern mal nachgefragt habe, welche Pillen ich eigentlich so am Morgen noch bekomme. Da war ein Blutdruckmedikament, das ich sowieso immer nehme. Die anderen Pillen dachte ich, seien lediglich Vitamine und Aufbaustoffe für den Körper ( harmloses und unterstützendes Zeug für Vitalität und Vitaminhaushalt ). Dann kam der Zungenbrecher…. Herr Galler, Sie bekommen auch 500 mg „Levetiracetam“. Uups, was ist das denn. >>>Levetiracetam ist ein Ethyl-Derivat des Antidementivums (früherer Name: Nootropikum) Piracetam. Es ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antiepileptika, welcher durch die belgische Firma UCB S.A. entwickelt und im Jahr 1985 patentiert wurde. <<< übersetzt heißt das, ein Mittel zur Vorsorge für körperliche Krämpfe bei einem Entzug.

Da es mir körperlich und geistig ja schon wesentlich besser ging, war mein Weg natürlich direkt wieder zu unserem coolen Stationsarzt. Herr Dr. A, ich denke indischer Herkunft, kleiner wie ich, Brillenträger, immer ein lächeln parat und eine wirklich smarte und gelassen Art in jungen Jahren. Beim ersten Treffen ein “ SuperDry“ Tshirt getragen (auch ein Lieblingslabel von mir), an diesem Tage einen Jack & Jones Pulli (von denen habe ich auch 5 Stk)….. Fügung, höhere Macht….passt auf, später kommt die Abgrenzungsbegegnung.

Die Ironie des Schicksals: “ Echt Super Trocken“….. ja da will ich hin!

Also ich suchte den direkten Weg für einen Termin wegen des Ausschleichens des Krampfmittels, da ich wirklich den festen Willen hatte und immer noch habe, nichts mehr unnatürliches meinem Körper zuzuführen. Das Gespräch lief wie immer locker und direkt auf den Punkt kommend. Medikament wird auf 250 mg ( 50 % ) sofort reduziert und in den nächsten 4 Tagen ausgeschlichen. Top, Ziel erreicht und gute Laune.

Seit einigen Tagen begleitet mich im Kopf eine Frage, die immer wieder hochkommt. Wie baut eigentlich das Pflegepersonal, ein Doktor oder die Psychologin einen Schutzwall um sich herum? Damit meine ich, wie schaffen die es, sich nicht von Ihrer Umgebung / Patienten, die geistig Krank sind oder an einer Suchterkrankungen leiden, runter ziehen zu lassen. Wie kann man die ganzen Geschichten und vor allem die oft negativen Stripes / Schwingungen von Patienten an sich abprallen lassen, so dass es einen selbst nicht bedrückt und das man das nicht mit nach Hause nimmt und trotzdem helfen kann.

Wie baut man eine Art Schutzschild gegen diese Eindrücke und Einflüsse auf. Wie geht das, wie heißt das, wie macht man das? Diese Frage hat mich insbesondere für mich selbst interessiert, da ich immer noch Probleme hatte, mich von meinen Mitpatienten auf der Station abzuschirmen. Jeden Tag entweder die gleichen Geschichten, ein monotones angebrabbelt werden ohne Sender Empfänger Prinzip im Ansatz zu kennen oder einfach nur immer die Leidensgeschichten von jedem anhören zu müssen. Auf Station 2E gibt es schlaflose Nachtwanderer, Menschen die Nachts einfach in den Flur pinkeln, ältere Menschen deren Krankheitsbild ich nicht kenne, aber sagen würde, hier ist ein  Anteil von Demenz zusätzlich  im Spiel.

Der Zufall will es so, das unser Stationsarzt Herr Dr. A & Mr. SuperDry mir plötzlich auf der Dachterrasse von der Cafeteria begegnet. Ich war dort mit einem Cappuccino und um eine zu rauchen. Er kam auch raus um seine E Zigarette zu rauchen (Herrlich, auch mal ein Doc der raucht).

Meine Art wie sie nun mal ist, in gutem psychischem und physischem Zustand hat es mir erlaubt, Ihn einfach auf das Thema Schutzschild / Scheuklappen anzusprechen. Daraus hat sich ein sehr tolles Kurz-Gespräch ergeben und er hat mir erklärt, dass dies im Studium eine 3 jährige Ausbildung sei, sich dem Patienten gegenüber „ABZUGRENZEN“ und dennoch zu helfen, ohne die Krankheit des Patienten an sich selbst heran zu lassen. Er hat mir erklärt um was es dabei geht und ich habe es im Ansatz verstanden. Logische Konsequenz für mich, ab in die Podcastwelt, ich habe direkt einen Podcast zum Thema Abgrenzung gefunden.

ABGRENZUNG

Ein Abstand, in dem sich beide wohlfühlen. „Abgrenzung“ heißt, dass man weiß, was man will und das auch äußern und verhandeln kann. „Abgrenzung“ bedeutet, dass man dem anderen zeigt, wenn er zu nahe kommt. Es kann „Nein-Sagen“ heißen, aber auch „Ja-Sagen“ – wenn man sich sicher ist, was man will.

Ich habe dann die ganze Nacht in den Podcasts gestöbert und gehört und war wieder um eine glückliche Begegnung und um einen Fortschritt im Umgang mit meinen Mitpatienten glücklicher. Aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt, da man für sich selbst hier ist und Stress oder Belastung von Außen einfach von sich selbst und seinem eigenen Genesungsprozess ablenkt. Nach diesem Gespräch und der Nacht voller interessanter Podcasts zum Thema „Abgrenzung“ habe ich das direkt am nächsten Tag angewandt! …. und man höre und staune, es funktioniert!!! Probiert es einfach mal aus, ist echt einfach aber genial.

Hier geht es zum Podcast von PSYCHCAST

Folge: „Sich besser abgrenzen lernen – im Alltag und mithilfe von Psychotherapie“

TAG 8 –  Inventur inneres ICH – 31.05.22 – Dienstag

Heute am Tag 8 war ich relativ gut gelaunt. Ich habe bemerkt, dass ich körperlich wieder da bin wo ich hin wollte und das Etappenziel der Entgiftung, die körperliche Entgiftung ( für mich )erreicht hatte. Fahrstuhl war Fahrstuhl und ich nahm ab sofort immer die Treppen. Es wurde Zeit sich auf die nächsten Schritte zu konzentrieren, die innere INVENTUR. Nebenbei merkte ich, dass meine Abgrenzungsstrategie immer besser funktionierte, bei meinen Mitpatienten. Ich hatte meine Rückzugsorte, generell konnte ich wieder aus den meisten Situationen das Gute herausziehen und es auch mit meiner schon beschriebenen Relationsstrategie, für mich zum Positiven nutzen. Ich merkte, so hart die ersten Tage hier waren, dass sich der Wind drehte und das Schiff nicht mehr zu sehr nach links und rechts segeln musste um voran zu kommen. Der Wind stand gut und das Land war in Sicht.  Es war Zeit für die innere Bestandsaufnahme mit einem starken Gefühl von Demut und Dankbarkeit.

Die Inventur war sehr schmerzhaft, da ich bei den AA´s gelernt hatte eine grundlegende, furchtlose und ehrliche Inventur mit mir selbst zu machen. Themen, wie: was habe ich meiner Ehefrau in den letzten Monaten angetan, wie habe ich meine Hunde vernachlässigt, welche Fehler habe ich in der Arbeit gemacht, wie stark habe ich meine engen Freunde entfremdet, welchen Scheiß habe ich nur mit meinem Bankkonto getrieben, warum habe ich keine Selbsthilfegruppen mehr besucht, warum habe ich „mein“ Projekt – Raus aus der Sucht aus den Augen verloren? viele viele Fragen und schmerzhafte Erkenntnisse, die als Tatsache in der Inventur hervor kamen und auch hier im Blog festgehalten werden….alles Dinge die ich kaputt gemacht hatte. Alles wegen meiner Alkoholkrankheit und dem Tablettenmissbrauch und dem vollkommenen Kontrollverlust. Wichtig für mich war, mir das ganz klar vor Augen zu halten, um mit dem Wiederaufbau in einer prioritären Reihenfolge beginnen zu können.

In jungen Jahren, habe ich die Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel absolviert. Schon dort habe ich gelernt wie eine Inventur im Lager funktioniert. Bestandsaufnahme und dann bei Fehlbeständen werden diese in der EDV richtig gestellt, tut meist weh, weil es Geld kostet. So funktioniert das auch in meiner Inventur. Feststellung der Bestände, nach der Klinik habe ich dann einiges in meiner EDV (in meiner Seele) richtig zu stellen bzw. zu verbuchen. Dazu werden aufrichtige Entschuldigungen und Widergutmachungen bei einigen Personen gehören, insbesondere bei meiner Frau. Das Arbeitsverhältnis zu meinem Arbeitgeber habe ich bereits in der Klinik im „Guten“ aufgelöst. Denn das war aus heutiger Sicht einer der stärksten Treiber und Ursachen des schleichenden Rückfalles und warum ich heute hier bin und das in meinen Blog schreibe. Dazu mehr später im Thema Rückfallverarbeitung und -Aufarbeitung.

Da ich mich einigermaßen gut gefangen hatte, mich gut fühlte und mich abgrenzen konnte, hatte ich etwas Energie für andere Mitpatienten über. Damit meine ich nicht ein sog. Helfersyndrom, sondern wirklich nur Energie, die zur Verfügung stand und die ich unter der Rubrik „soziale Kompetenz“ an Mitpatienten abgeben konnte.  Diese hatte ich in den ersten Tagen als Zombies wahrgenommen, obwohl ich ja selbst auch einer war. Hier hatte sich auch meine Sicht der Dinge verändert, da ich nun damit umzugehen wusste und ich nicht mehr leicht zu reizen war, aus dem Opfer wird der Gestalter. Dies hat mich dazu veranlasst einfach mal Schwung in die Bude zu bringen und für die ganze Station Pizza zum Abendessen zu machen ( vorheriger Einkauf bei Netto für die Cerealien, Teig hatte Mitpatientin Britta gemacht). Das Abendessen war jeden Tag das gleiche und schon ein wenige fade und karg. Auf jeden Fall haben sich viele beim helfen beteiligt, beim schneiden und vorbereiten und es hat eine Art von Gruppendynamik hervorgerufen. Sogar die Pfleger wurden mit Pizza verwöhnt und denen hat es geschmeckt. Somit waren die meisten in der Station 2E zufrieden, beschäftigt, mal raus aus dem täglichen Trott und ich hatte überschüssige Energie gemeinnützig in die Station abgeben dürfen.  Meine Tagesziele die Inventur und mit Dankbarkeit und Demut zu agieren waren erreicht. Der Tag nahm ein gutes Ende und ich konnte zeitig und gut schlafen.

TAG 9 –  erster Kontakt Psychologin Fr. S – 01.06.22 – Mittwoch

Heute am Tag 9 war meine Erwartungshaltung sehr groß, da ich ein Gespräch (endlich) mit der für mich zuständigen Psychologin Fr. S vor mir hatte (14:15h). Hier werfe ich AMEOS und nicht den Beschäftigten vor, dass ich unter eine sog. qualifizierten Entgiftung mehr erwartet hätte. Damit meine ich, dass im Wochenplan zum Thema Therapie und sonstige Arbeitsgruppen ( -Ergo -Sport  -progressive Muskelentspannung…u.s.w.) sehr wenig drin stand, dann sehr wenig überhaupt stattgefunden hat und einiges noch dazu ausgefallen ist. Übersetzt heißt das, neben der körperlichen Entgiftung wurde ich für mein empfinden hier einfach alleine gelassen und musste selbst schauen wie ich klar komme. Das ist ein Verbesserungsvorschlag für den AMEOS Konzern und in keinster Weise ein Vorwurf an das Personal vom Pfleger bis hin zur Oberärztin. Hier sind einfach auch Personalnotstand und Sparmaßnahmen in einer Konzerngruppe eindeutig zu sehen und zu spüren, diese werden auf Kosten der Patienten und das Nervenkostüm des Personals und der Angestellten verbucht. ( Kontenrahmen GSBRD022- deutsches Gesundheitssystem).

Auf das Gespräch mit Frau S. habe ich mich den gesamten Vormittag vorbereitet. Ich habe eine Art von Sucht-Histogramm erstellt. ( chronologischer Ablauf / Lebenslauf auf meine Suchlaufbahn bezogen ). Und ja ich gebe es zu, ein erstes Gespräch hatte schon am zweiten Tag meiner Einweisung stattgefunden, da war ich aber noch wirr, betrunken, dumm und blöd im Kopf, das Gespräch habe ich nicht wirklich wahrgenommen, bzw. abgespeichert und durch das Töten mit Alkohol und anderen Substanzen von Gehirnzellen, ist es für mich heute auch nicht mehr wieder abrufbar. Dafür habe ich mich heute bei Fr. S entschuldigt und Ihr gesagt: “ Ich freue mich, dass ich Sie nun nüchtern und bewusst kennen lernen darf und das sie Zeit für mich haben“ —- > Dankbarkeit und Demut

Diese Aufstellung hat mir selbst geholfen, mich neu zu sortieren, war auch ein wichtiger Punkt im Sinne der Inventur und hat mir schwarz auf weiß gezeigt, wo ich eigentlich her komme, dass ich polytoxisch Suchkrank bin und es mein Leben lang sein werde. Es war für mich selbst und für das Gespräch mir Frau S. eine gute Vorbereitung. Im eigentlichen Gespräch habe ich gute Stripes/Schwingungen von Frau S. erhalten. Augenkontakt, zuhören, ausreden lassen, sich auch ohne Worte verstehen, Sender Empfänger Prinzip, alles Komponenten die eine gute Kommunikation ausmachen. DANKE DAFÜR. Alles in allem ein sehr gutes Gespräch. Leider hat man als Patient nur einmal die Woche die Möglichkeit solche Gespräche zu führen und das ist aus meiner Sicht einfach zu wenig. Genau in einer Entgiftung wenn man durch die Hölle geht und man tausend Fragen und Probleme im Kopf hat, diese von links nach rechts schiebt, ja genau dann braucht man jemand zum reden. Ich danke der höheren Macht und meinem Leben für die vielen guten aber auch gravierend schlechten Erfahrungen, diese haben mich da hin gebracht, wo ich heute bin. Ich besitze das Vermögen mich durch z.B. dieses Tagebuch in gewissem Maße selbst zu therapieren. Dies in einer unprofessionellen und nicht gelernten Art und Weise, aber mir hilft das. Leider sehe ich auch, das viele meiner Mitpatienten nicht in der Lage sind, sich solche Hilfsmittel eigens zu machen. ABER, das ich nicht meine Baustelle, ich möchte mich abgrenzen, für mich selbst sorgen, meine Ziele hier für mich erreichen und nur dann mentale überschüssige und positive Energie in die Gemeinschaft abgeben, wenn ich das kann.

Genau diese Feststellungen (ich betone nochmals, keine Vorwürfe an die Angestellten) haben mich dazu veranlasst eine PRO CONTRA Liste zu erstellen. Meine Gedanken waren dazu: „Bleibe ich die vollen 21 Tage in der Klinik oder bitte ich um vorzeitige Entlassung“ (nach 14 Tagen).  Die Liste seht Ihr gleich selbst. Ich habe versucht abzuwägen, was mir hier drin gut tut und was mir draußen helfen könnte. Die Rechnung war relativ einfach und irgendwie schon in meinem Baugefühl klar und eigentlich innerlich schon entschieden. Da ich freiwillig und aufgrund meines Willens hier bin, könnte ich jeden Tag die Klinik verlassen. Einige sind auch hier, aufgrund eines richterlichen Beschlusses, oohhaa!
Für mich ist allerdings wichtig,  von ärztlicher und auch psychologischer Seite der Klinik ein GO zu bekommen, dies um noch gestärkter im echten Leben wieder neu durchzustarten.

Hier in der Klinik gibt es keine wirkliche Therapie, Rückfallprävention oder Arbeitsgruppen für strukturelle Festigung für den Alltag draußen im Leben. Es gibt keinen Ansprechpartner mit dem man sich in Ruhe bzgl. Sucht, Problemen, Herausforderungen oder einfach geistig flanierend austauschen kann. Sicherlich kann man jederzeit das Pflegepersonal ansprechen, hier muss man aber erst seinen Weg finden. Hier ist man im geschützten Raum und kann Resilienz, Frust- und Toleranzgrenzen trainieren ( im Umfeld, Gemeinschaftsraum und Zusammenleben mit den andren Patienten)…. aber dies auf sich allein gestellt und ohne direkten täglichen Coach. Gut das mein Ex Psychologe Herr Dr. E. O. täglich mit mir telefoniert mich aktiv einnordet und coacht. Was für ein Glück, dass ich noch eine Beziehung zu diesem guten Mann (76) habe, der mich immerhin 12 Jahre in meinem Leben intensiv begleitet hat. Hierfür auch ein großes DANKE, das ich ans Universum sende.

In der Außenwelt, sprich wieder zu Hause, kann ich an vorhandene Ressourcen anknüpfen. Dazu gehören, das Projekt Raus aus der Sucht, das wöchentliche Zoom Meeting mit meiner Gruppe aus der Langzeittherapie im Jahr 2020 und diverse Selbsthilfegruppen. Zu Hause kann ich Dinge, die ich in meiner ehrlichen Inventur festgestellt habe, direkt angehen und beginnen zu bearbeiten. Dazu gibt es die Kernthemen, weitere Schritte mit meiner Ehefrau, Zugehen auf enge Freude mit dem Willen und der Bitte um Wiedergutmachung, suchen eines neuen Berufs um nicht mehr in alte Verhaltensmuster zu fallen, Klärung meiner Finanzen und vieles mehr, sprich hier kann ich aktiv gestalten.  OK und richtig… hier in der Klinik könnte ich mich noch etwas länger in neutralem Umfeld aufhalten und meinen Akku auf 100 % aufladen, aber mein Bauchgefühl sagt mir eindeutig, ich bin schon bei einer Akkuaufladung von 85 % ( das reicht und will ich überhaupt die 100 % ?) und ich kenne mich gut und denke 85% ist genug.

Alles in allem war das Gespräch mit Frau S. sehr gut, wir waren uns einig, das ich hier in der Klinik schon viel für mich selbst in Eigenregie aufgearbeitet und verarbeitet hatte. Dies direkt im Anschluss an die körperliche Entgiftung und nach Verinnerlichung des Themas Abgrenzung und dessen Hauptmerkmal „Sorge für Dich selbst „. Ziele erreicht. Befürwortung von Fr. S. erhalten. Soweit für mich alles gut. DANKE! p.s. Liebe Frau S. ich habe Ihren Rat befolgt mit der Strichliste zum Thema „MUSS“. Im gesamten Tagebuch / Blogeintrag befinden sich bewusst und berechtigt ganze 11 mal das Wort „muss“. Ich denke, das ist bei dieser Testlänge in Ordnung. :o)

TAG 10 – Visite – Professor – Augenhöhe – Entscheidungen – 02.06.22 – Donnerstag

Die VISITE – Symmetrische oder komplementäre Kommunikation ? 

Übersetzt bedeutet das, liegt eine symmetrische Kommunikation vor, dann begegnet man sich auf Augenhöhe, das kann sein von Mensch zu Mensch von Freund zu Freund.

Liegt eine komplementäre Kommunikation vor, dann begegnet man sich auf der Basis, dass der eine mehr zu sagen hat als der andere, das kann sein von Arzt zu Patient oder von Lehrer zu Schüler.

In der VISITE war es zumindest bei mir so, dass ein Professor XYZ aus Bremen angereist war, da unsere Oberärztin Frau Dr. H in Urlaub war. Gut so, zumindest eine kompetente Vertretung. Allerdings waren im Gespräch zusätzlich anwesend: Psychologin Frau S., Pfleger Herr B. und Klinik Sozialberaterin Frau von H. Für mich war das eine gute Runde, obwohl sie aufgrund der Anzahl von Personen auf beiden Seiten ( 1:4)  etwas aus dem Gleichgewicht geraten schien. Ich für mich konnte damit gut umgehen, dachte mir aber im Anschluss, wenn ich diese Runde bei meiner Aufnahme gehabt hätte, wäre ich sehr ängstlich und bedrückt in das Gespräch rein und auch wieder rausgegangen. In meiner Wahrnehmung hatte der Professor das Thema Abgrenzung mit einer gewissen Art von Arroganz vermischt und mich kurz und schmerzlos abgefertigt. Der Rest der Runde hat nicht wirklich was gesagt, lediglich Frau S. hat mich punktuell unterstützt. Quick & Dirty wie man so schön sagt, was für mich auch in Ordnung war.  — Herr Professor, sollten Sie das zufällig jemals lesen, bitte ich Sie, mir das nicht krumm zu nehmen, es ist einfach meine Meinung und vom Sprichwort abgeleitet: Du hast niemals eine zweite Chance auf den ersten Eindruck. —

Die Runde hatte sich im Vorfeld auch durch das wohlwollende zutun meiner Psychologin mit meiner Patientenakte befasst. Auch war dem Professor mein Sucht-Histogramm und meine Pro & Contra Liste bereits bekannt. Seine Aussage, ich hätte gute Chancen draußen im echten Leben wieder Fuß zu fassen und vielleicht zu den 20 % zu gehören, die es wirklich schaffen abstinent zu leben, haben das Gespräch verkürzt. Nach ca. 10 Minuten war die Visite bei mir schon beendet. Mir war wichtig, dass ich eine medizinisch und psychologisch „befürwortete“ Entlassung 5 Tage früher als vor den 21 Tagen erhalten habe. Dies war nun der Fall und eine Art Rückversicherungsschein für mich selbst. Einen Schein habe ich allerdings nicht bekommen! Ich hatte um einen Transportschein gebeten, d.b. ein OK von Arzt, dass mich ein Taxi nach Hause bringt das die Krankenkasse bezahlt. Hintergrund, von Debstedt nach Worpswede ist man ca. 3,5 Stunden mit Bus, Bahn, Bus und entsprechenden Wartezeiten, einem letzten 20 minütigem Fußmarsch mit Reisegepäck unterwegs. Dieser sogenannte Transportschein wurde mir von Herr Professor XYZ verweigert mit der Aussage: “ Leute die sich vernünftig benehmen können und klar im Verstand sind, bekommen keinen Transportschein, egal wie weit die Strecke nach Hause ist“. Da ich zu diesem Zeitpunkt sehr entspannt, innerlich ruhig und nicht mehr dünnhäutig war, habe ich seine Aussage mit meiner prägnanten Aussage: „AKZEPTIERT“ beantwortet und somit das Gespräch beendet.

Wäre das ein Schachspiel gewesen, obwohl ich sage, eine qualifizierte Entgiftung ist eine Notbremse und in keinster Weise ein Spiel nach einem Rückfall, würde ich dennoch sagen:

Nach dem SPANISCHEM Eröffnungszug, einem sehr TIEFGRÜNDIGEN und ERKENNTNISREICHEN Spiel mit Stoppuhr und einer erfolgreichen ROCHADE (Seitenwechsel meiner Person > vom Opfer zu Gestalter) haben beide Parteien mit einem zufriedenstellenden REMIS die Partie für den 08.06 als beendet angesehen. 

TAG 11 –  Resilienz – Frust- und Toleranzgrenzen – 03.06.22 – Freitag

Heute am Tag 11 habe ich angefangen meine Aufzeichnungen aus meinem Notizbuch in diesen Blog zu übertragen. Diverse Fotos zu machen und einige Bilder in Photoshop zu basteln.  Meine Ziele für heute waren die Themen: Blog schreiben, Resilienz, Frust- und Toleranzgrenzen untersuchen und testen und die Ziele nach der Klinik zu eruieren, zu definieren und schriftlich festzuhalten.

Zum Thema Resilienz habe ich mich schon mal sehr ausgiebig in einem Beitrag beschäftigt und ausgelassen. Ich habe mir den Beitrag mehrmals durchgelesen und für mich die Thematik nochmals hervorgerufen und  in meinem Bewusstsein aktiviert.

Für alle die es interessiert, hier zum Beitrag:

RESILIENZ – was ist das denn ?

Für mich war es Zeit, sich Zeit zu nehmen alles mal in Ruhe zu reflektieren. Stabilität, innere Ruhe, Rückzugsorte und Abgrenzungsvermögen waren vorhanden, also ist die Zeit gekommen, die Geschehnisse alle mal zu ordnen, zu sortieren und in Worte zu fassen.

Zu Beginn der Entgiftung war ich am Boden zerstört, körperlich, seelisch und geistig. Nix hat funktioniert so wie ich es wollte. Ich habe mich komplett verloren durch einen Griff zum ersten Glas. Diverse Ausrutscher, bis hin zum schleichenden Rückfall, richtig hingefallen und mit dem Zahnfleisch sehr schmerzhaft auf der Straße gebremst.

Wie ich eingeliefert wurde, hatte ich starke Gefühle der Angst und  Wut über mich selbst und ich war mehr als Intolerant anderen gegenüber, hatte kein Verständnis für das Gegenüber, geschweige denn für mich selbst. Mich haben die Mitpatienten dermaßen aufgeregt, dass ich mich in Konflikte eingelassen habe die überhaupt keinen Sinn gemacht haben. Die Küche ist dreckig (Gemeinschaftsraum), am Flur überall Kaffeeflecken, die Leute stinken nach Schweiß und oder Urin. Überall rund im die Klinik liegen Zigarettenstummel. Zerbrochene Jägermeisterfläschchen an den Gehwegen. Mitpatienten haben Caps auf mit Alkoholmarken ( Jägermeister -Werbung )…. alles immense sog. Triggerpunkte für Suchtkranke und auch für mich zum Teil. Ich konnte die ersten Tage einfach keine Toleranz an den Tag legen und war sowas von frustriert und auch aggressiv. Den ganzen Tag das gesabbel über alte Geschichten und wie toll es ist, hier heftige Tabletten zu  bekommen, wie toll es war Drogen zu nehmen, Alkohol zu saufen und so weiter. Extrem schwer fiel mir der Umgang mit den psychisch Kranken Mitmenschen hier auf 2E. Ich bin sehr strukturiert und leider immer Nahe am Perfektionismus dran ( was auch stressig sein kann), aber für mich ist das einfach der Flur des Schreckens gewesen, wenn ich richtig heftig manisch Depressive oder sogar Schizophrene Leute getroffen habe. Mit denen in Kontakt zu treten, meist von mir ungewollt und initiativ von denen aus, haben mich diese empfangen Schwingungen, Geschichten und Aussagen richtig fertig gemacht.

Mit dem Thema bin ich durch, ich habe aktuell mehr als Verständnis für die Mitpatienten und verfalle nicht in ein Helfersyndrom. Jeder sorgt für sich selbst,  für den Rest sind die Fachkräfte verantwortlich. Ich habe mich von Opfer zum Gestalter gewandelt und helfe gern mit, die Gemeinschaftsküche sauber zu halten, wenn Leute wegen Entzug oder motorischen Gründen zittern und Kaffee und Tee am Flur verschütten, ja dann wische ich das halt auf. Wenn mir Leute meine Tasse klauen oder in meinen Instant Espresso Öl reinschütten, dann ist das halt so. Ich bin ja selbst schuld wenn ich das rumstehen lasse obwohl die Dinge mit meinem Namen beschriftet sind. Wenn mir kalt gestellte Sachen aus dem Kühlschrank geklaut werden, ja dann hoffe ich das es den anderen geschmeckt hat und ich lerne halt draus, dass ich nichts mehr irgendwo  in den Kühlschrank tue. Alles in Allem habe ich mich gewandelt und merke täglich, dass ich ganz anders mit den Umständen hier umgehe. Ich persönlich sehe das als weiteren Schritt nach der Entgiftung in meinem Prozess der Rekonvaleszenz an. Ich bin mir ganz klar darüber, das ich nie wieder  Gesund werde, mein Leben lang mit meiner Suchterkrankung und der Alkoholkrankheit leben zu lernen muss. Das geht nur mit absoluter Abstinenz und entsprechenden Rückfallprophylaxe und Präventionsmaßnahmen. Das Ganze relativiert auf ein noch hoffentlich langes Leben und auf ein kleines Ziel reduziert > nur heute, nur 24 h, kein Griff zum ersten Glas  oder sonstigen legalen, illegalen Substitutionen, egal welcher Art.

Nun gut, Tag gut verbracht, die Rolle des Gestalters ohne Helfersyndrom eingenommen, dies mit klarem Abgrenzungsvermögen und ausreichenden Frust- und Toleranzgrenzen. Klare Vorstellungen für die Tage nach der Klinik, Blog begonnen zu schrieben, es scheint alles auf dem Weg zu sein. Vorsicht lieber Robert, ja es „scheint“…. somit nutze Deine Werkzeuge und nimm Dir nicht Zuviel vor, Deine Strichliste “ Du musst“ auf Nullstand halten und ein Schritt nach dem anderen und ein Tag nach dem anderen.
GUTE 24 Stunden ! wünsche ich Dir mein lieber Robert. 

TAG 12 –  Ausflug nach Bremerhaven – Belastungserprobung – 04.06.22 – Samstag

Der zwölfte Tag in der Klinik begann herrlich. Ich war schon seit 3.30 Uhr morgens wach, ich hatte gute 8 Stunden geschlafen, also ausreichend. Direkt in dieser schönen Morgenruhe habe ich hier am Blog im Fernsehraum weitergeschrieben. Als dann die Krankenschwester zum Frühdienst kam hatte ich lediglich eine Frage zu meinem Antrag auf Belastungserprobung “ Ausflug 04.06.22 ( heute ) nach Bremerhaven von 10 h – 18 h. Aus dieser Frage wurde so gegen 7.30 h direkt die erste indirekte Belastungserprobung im Sinne von Akzeptanzvermögen.

Meine Frage lautete lediglich, kann ich meinen Ausflug von heute auf morgen verschieben?  /Der Antrag wurde von mir und einer Therapeutin unterzeichnet  Mit Datum, Uhrzeiten und dem Grund / Ziel des Ausfluges. > Die Antwort der Schwester lautete, NEIN, dass können wir nicht so machen, es könnte Ihnen ja etwas passieren und bla bla bla…. Meine Reaktion (nicht akustisch für die Schwester hörbar) war zuerst ein wenig Groll, das mit dem Hintergrund, da ich ja schon seit halb vier wach war, die ganze Zeit mein Tagebuch geschrieben hatte und irgendwie müde war und den Ausflug halt von Samstag auf Pfingstsonntag verlegen wollte. Also hier standen im Ring“  korrektes Verhalten der Krankenpflegerin “ – “ meine Müdigkeit “ – “ eine einfache Frage “ – “ ein wenig Groll “ – “ und im ersten Moment „mein Unverständnis“, dass man nicht einfach das Datum ändern kann“….. Der Kampf war bereits in der ersten Runde beendet. And the Winner is “ die Krankenpflegerin „ mit eindeutigem Sieg nach Punkten. Ich habe meinen Groll schnell loswerden können, eingesehen, dass das dann halt so ist wie es ist und sie ja vollkommen recht hat.  Ich habe mich nach dem Frühstück eine Stunde hingelegt und ein Nickerchen gemacht. Danach war ich einigermaßen fit und wieder gelassen drauf,  bin dann  mit dem Bus 505 auf die 46 minütige Reise nach Bremerhaven gestartet. Etwas müde, aber mit dem Umsetzungsvermögen wie im Antrag gestellt…. am 04.06. von 10-18 Uhr und nicht anders, weil es mir gerade so in den Sinn kommt, war ich nun in Bremerhaven angekommen.
 Und nun > The Winner im Ring is: Robert. Tenor: Akzeptanz und Gelassenheit Dinge hinzunehmen wie sie sind.

Mein Ausflug nach Bremerhaven war ganz nett. Ich hatte schon das 9 Euro Ticket am Handy und bin mit dem Bus direkt um 8.44 los. Nach einer guten dreiviertel Stunde bin ich an der Haltestelle “ An der großen Kirche dann ausgestiegen „. Ich habe per pedes dann eine Erkundungstour gemacht, zum Hafen, durchs Columbus Center, Hafenpassage, Zoo am Meer und zuletzt in die Fußgängerzone …. einmal rauf und runter. Alles ganz nett und teilweise bekannt, da ich im privaten Leben hier schon mal war. Nicht so ganz meine Stadt, da ich von Hamburg, München und Salzburg eher etwas sehr ästhetisch verwöhnt bin.

Ich hatte kein konkretes Ziel und auch keinen wirklichen Plan. Ich wollte einfach ein wenig erkunden und in Ruhe spazieren gehen. Durch einen Zufall bin ich genau als um 12 Uhr die Kirchenglocken richtig gas gegeben hatten an der Zion-Kirche vorbeigelaufen. Dort stand ein Schild “ Heute am Samstag um 12 Uhr Orgelkonzert „Eintritt frei““. Tja, groß überlegen war nicht notwendig und habe schon den Eingang zur Kirche angesteuert, als mich schon ein sehr freundlicher Pastor begrüßt und hineingebeten hatte. Ich bin normalerweise kein Kirchengänger. Ich glaube und vertraue einer höheren Macht, wie auch immer man die nennt. Ich habe das Orgelkonzert einfach für die Themen Achtsamkeit und Meditation für mich genutzt. Orgelmusik wird nicht mein Favorit im Leben werden, ich kann aber sagen, dass mir die 40 Minuten in der Kirche und das „in sich gehen & loslassen“ sehr gut getan haben. Die Orgel war sehr groß und der Klang in der großen Kirche war phantastisch.

Der Tag lief auf dem Antrag unter Belastungserprobung. Für mich war schon vor dem Ausfüllen klar, dass ich hier keine Belastungserprobung mache, sondern einen Ausflug. Ich hatte und habe keinerlei Suchtdruck und das Teufelszeug steht ja in jedem Laden (auch im Netto direkt vor der Klinik) an der Kasse rum. Triggert mich nicht. Was mich allerdings im positiven Sinne getriggert hat, war ein italienisches Eiscafé.  Ich liebe Italien. Hier habe ich mir dann etwas in der Sonne gegönnt und es war nahezu fast perfekt, Entspannungszustand nach dem Orgelkonzert, toller Platz in der Sonne, sehr freundliche Bedienung und dann einen einfachen leckeren Macchiato für 2,90 Euro.

Herrlicher Genuss mit Nüchternheit, Dankbarkeit, Demut, Entspanntheit und Sonnenstrahlen….. mehr geht nicht ! DANKE 

Diverse Bilder von Bremerhaven, der Stadt meiner „nicht Wahl“ seht Ihr ganz unten im Fotoalbum.

Hier noch eine Bekanntschaft mit „Friedrich dem Großen“…. der Eumel lief in der Fußgängerzone rum, ohne Scheu vor Menschen und diese Möwe hat mich aufgrund Ihrer Größe doch irgendwie beeindruckt (würde mal sagen, so groß wie ein Basketball)

….. es sind dann halt doch die kleinen feinen Dinge im Leben, die das Leben lebenswert machen,  wenn man diese wahrnehmen kann und darf. Und wahrnehmen kann man diese Dinge nur, wenn man nicht zum ersten Glas greift und mit Bewusstsein, Klarheit und Nüchternheit gepaart mit einer Portion inneren Ruhe durchs Leben gleitet und schreitet.

Der Tag nahm auch weiterhin ein gutes Ende, nachdem ich um 16 Uhr zurück in der Klink war und nach dem Abendessen unglaublich müde und gut gestimmt mich in mein Bett gelegt habe.  Ich habe dann bereits vor 21 Uhr geschlafen und konnte schön durchschlafen bis zum 13ten Tag um 5.15 / Pfingstsonntag.

TAG 13 –  Pfingsten – das Wasser – Selbstbetrug – 05.06.22 – Sonntag

Herrlicher Tagesstart. Ausgeschlafen, Muskelkater an den Beinen vom gestrigen Ausflug ( schön wenn man sich spürt ) und zugleich motiviert wieder am Tagebuch zu schreiben und zu reflektieren. An diesem so schönen Pfingstsonntag hatte die Klinik ein Problem. Direkt um 5.30 Uhr war das Wasser in der gesamten Klinik weg, somit ging natürlich keine Dusche und auch der Kaffeeautomat in der Küche nicht. Ohjeeee, ich ahnte schon was passieren würde und so kam es auch. Fast alle Patienten auf Station 2E hatten plötzlich große Probleme, vor allem weil es keinen Kaffee gab. Verwirrung, Chaos und Geschimpfe war groß. Es dauerte nicht lange, dann ging plötzlich das heiße Wasser wieder (aber das kalte Wasser nicht), was dazu führte, das noch mehr geschimpft wurde, da die Duschen zu heiß waren und der Kaffeeautomat in der Küche nur kaltes Wasser verarbeiten konnte (sprich konnte nur erhitzen).

ICH BIN GERADE AUSSER BETRIEB !

MICH WILL JA KEINER !

Mit viel schmunzeln und einer gewissen Ironie habe ich mir das Theaterstück auf Station 2E angesehen und habe mich gefreut, dass ich Instant Kaffee Pulver auf dem Zimmer hatte. Somit ging das bei mir zumindest klar mit Kaffee zur morgentlichen Zigarette. Ich weiß, das ist gemein, aber ich war halt so „chilllaxed“ drauf und hatte im Vorfeld für mich gesorgt, dies zwar nur in Form von Instantkaffee. Dadurch war ich kein Darsteller im Theaterstück, sondern nur ein Zuschauer. …. man könnte das jetzt schicksalsgeführte und passive Abgrenzung nennen. Anfangs war ich sicherlich ein Darsteller auf der Bühne, in Laufe der Tage hatte sich das geändert und jetzt saß ich im Publikum und konnte in Ruhe und voller Genuss das inszenierte Theaterstück genießen und beobachten. Herrlich!

Also der Tag begann gut für mich und das war gut so. Kurz vor dem Frühstück hatte die Haustechnik, das Problem mit dem Wasser in der ganzen Klinik bereits gelöst und alle waren wieder im gewohnten Kreislauf.  Mein Frühstück war gut und ich nahm mir für mich wieder die Zeit das Tagebuch weiter zu schreiben.

Ich hatte viele Gedanken und Dinge in den letzten Tagen auf- und wahrgenommen. So habe ich erlebt, dass Leute aus der Station unmittelbar vor der Klinik ( Netto Markt / Bushaltestelle)  getrunken haben, dass Leute auf der Station zusätzlich zu den ausgegebenen Medikamenten noch heimlich eigene Pillen  in rauen Mengen dabei haben und zusätzlich nehmen. Ich habe überlegt ob ich das melden soll, kam aber sehr schnell zu der Einsicht, dass das nicht meine Baustelle geschweige meine Verantwortung ist. Weitere Beobachtungen möchte ich hier nicht näher beschreiben. Die Personen haben das Klinikum bereits verlassen und ich habe über den Flurfunk mitbekommen, dass diese Menschen leider am selben Tag schon wieder rückfällig geworden sind, bzw. so kann man das nicht sagen, da ja eigentlich nie eine Entgiftung bzw. Abstinenz stattgefunden hat.  Vielleicht sehe ich manche Dinge nur aus meiner Perspektive und vielleicht liege ich bei einigen Sachverhalten falsch, ich jedoch bin hier für mich und auch im Leben bereit, Hilfe anzunehmen, dazu zu lernen und offen für jegliche Impulse zu sein, die mir persönlich im Kampf gegen die Sucht weiterhelfen.

Jeder kann  für sich selbst entscheiden ob er diese Einrichtung hier nutzt oder nicht. Ich für mich selbst, habe sehr viele Jahre gebraucht um einerseits meine Krankheit mir selbst gegenüber einzugestehen, dann darüber mit andren zu sprechen, nicht mehr zu lügen und letztendlich wie ich es gerade tue, es auf einer Webseite mit dem Namen Raus aus der Sucht für die Öffentlichkeit unverhüllt und ohne Scham zugänglich zu machen.  Ich wünsche allen die sich noch selbst belügen und noch verstrickt sind im höllischen Tief der Sucht, viel Kraft, Einsicht, Erkenntnis und Erfolg für die Zukunft. Ich selbst habe mich über Jahrzehnte selbst belogen und es dann auch noch selbst geglaubt. Es ist ein langer Prozess den ich nachempfinden kann und verstehe.

Ich habe gelernt, es ist NIE ZU SPÄT und man ist nicht ALLEINE!

Schade finde ich es wirklich, dass diese Leute, den Menschen, die wirklich Hilfe brauchen und auf Wartelisten stehen und das klinische Angebot annehmen wollen um Hilfe zu erhalten, definitiv einen Platz wegnehmen!!!

Ich erinnere die von mir anfangs beschriebenen Wartezeiten und Wartelisten und den langen Zeitraum bis ich ein Bett in der Klinik dankenderweise bekommen habe. Die Dinge sind wie sie sind. Die Klinik hat hier nicht die Funktion der Kontrolle und / oder der Sanktionierung, sicherlich sollte es bei einem eindeutigem und offensichtlichem Vorfall zur sofortigen Entlassung kommen, aber es liegt an jedem SELBST was er draus macht. So habe ich diese Klinik zumindest verstanden und bin aktuell in der Umsetzung für mich SELBST.

TAG 14 –  Waldbaden / Macht des Glaubens / Wo ist der Saft – 06.06.22 – Montag

Da wir hier sehr schön im Grünen sind, bzw. die Klinik, gibt es eine sehr gute Art und Weise sein eigenes Gemüt und den Körper in die Balance zu bringen.

 HEUTE WALDBADEN…. zu Hause gern mit den Hunden, hier für mich selbst und ganz alleine.

Heute am Pfingstmontag geht es trotz leichtem Regen ans WALDBADEN. Ich habe diese Art der Freizeitgestaltung schon seit Jahren für mich entdeckt. Lasst Euch vom Bild nicht täuschen, es geht nicht um ein Bad im Wald. Es geht in der Begrifflichkeit einfach nur sich im Wald aufzuhalten, Achtsam die Pfade zu gehen und frische Luft zu schnappen. Was hier alles noch hinzukommt glaubt man eigentlich gar nicht. Hier eine kurze Auflistung von Vorteilen die ein Waldbad mit sich bringt. Und wie so oft, die kleinen, feinen und wirklich guten Dinge  immer, kosten nichts, lediglich die Überwindung einfach mal loszugehen!

Gezielter Stressabbau:
Abstand vom Alltag nehmen und einfach mal die Seele baumeln lassen.

Erhöhte Sauerstoffzufuhr:
Stärkt das Immunsystem und fördert die Vitalität sowie die Schlafqualität.

Achtsamkeits-Training:
Den Wald bewusst mit allen Sinnen genießen, auch gern riechen und tasten.

Erholung für die Augen:
Pause von der medialen Reizüberflutung, vom Trubel in der Stadt oder Klinik, kein Laptop oder Handy.

Bewegung:
Genau so effektiv wie joggen, weil ca. die doppelte Anzahl an Schritten gemacht wird.

Blutdrucksenkend:
nachweislich sinkt der Blutdruck bereits nach 15 Minuten.

Durchatmen:
Im Wald gibt es nachweislich 90 % weniger Staubpartikel als in der Stadt.

Ich glaube mehr kann ich mir selbst nicht widerspiegeln. Ich geh dann mal nach dem Frühstück direkt los. Hier ist das Klinikum umgeben von Natur, einem See und einem tollen Pfad / Wanderweg. Man kann den See umrunden und ist einfach mal locker und lässig 1-2 Stunden mit dem Stichwort „Tapetenwechsel“ und mit den oben genannten Vorteilen für sich SELBST gut unterwegs. Danke, dass ich das alles erkennen darf und auch wieder die Kraft habe, das einfach umzusetzen. Kost nix, ist einfach und sehr sehr förderlich.

Ich bin wie schon mal geschrieben kein Kirchengänger, aber hier in Debstedt wäre heute um 10.30 Uhr ein Gottesdienst im Freien. Soweit es nicht prasselnd regnet werde ich auch dort hingehen um innere Ruhe zu finden und ein wenig zu meditieren. Auch mein Glaube an etwas höheres, was ich nicht faktisch und hier auf Erden nicht verstehe, stärkt mich im Tun und Handeln.  Ich nenne es einfach mal „COEXIST „.

Und ein neues Krankheitsbild ist auf der Station aufgetaucht, Kleptomanie. Gestern Abend wurde im Gruppenraum / Küche der Gertränkevorrat mit Apfelsaft, Orangensaft, Milch und Kakao aufgefüllt. Ist wirklich immer reichlich für 2 Tage und für Alle. Heute Nacht war wohl jemand unterwegs gewesen  und hat den gesamten Schrank / Vorrat gehamstert haben. Heute früh war der Schrank komplett leer. Die Nachtschwester hat wohl alle Zimmer abgegangen, es wurde aber wohl nichts gefunden. Sog. Schrankkontrollen sind glaube ich nicht erlaubt, schätze ich mal. Aber nun gut, ich trinke hier ohnehin nur Wasser und Tee (Kaffee nur morgens) , denn die Säfte sind aus meiner Sicht lediglich gefärbtes Wasser mit 90 % Zuckerzusatz. Somit geht diese Aktion wieder mal an mir vorbei. Sehr schön.

Die Kleptomanie gehört psychiatrisch gesehen zu den „Abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“. Es besteht dabei ein Impuls, Dinge, die man eigentlich nicht benötigt, zu stehlen. Diesem Impuls kann die Person, die an Kleptomanie leidet, nicht widerstehen.

Und na ja, öfter mal was Neues auf der Station und gute Abwechslung im Seepark-Theater.
Wasser und Tee ist im Überfluss vorhanden, es wird keiner den Tot des „Verdurstens“ erleiden.

TAG 14 –  Letzter Tag und nichts im Wochenplan- 07.06.22 – Dienstag

Frühstücken – Schlafen – Koffer packen – Spazieren gehen – Cafeteria besuchen – alles nochmals in Ruhe Revue passieren lassen und mit einem Blick aus der Distanz nochmals die Klinik von einer schönen Parkbank von außen betrachten, dazu geistig flanieren und das Steuer fest im Griff haben. Gestern am Pfingstmontag ist logischerweise aufgrund des Feiertages mal wieder alles ausgefallen – Stationsrunde – Motivationsgruppe -.

Heute habe ich nichts im Wochen-Plan, somit kann ich den letzten Tag nochmals in Ruhe nutzen, um alles aus der Distanz  zu betrachten und von Außen auf meine Tage, die ich hier verbracht habe, zurückblicken. Der Blick von Außen tut gut, da man das Gefühl entwickelt, diese wortwörtliche „Station“ im Leben ist nun für einen selbst abgeschlossen und die Reise geht weiter. Interessant auch für mich heute festzustellen, das plötzlich wieder bekannte Gesichter im Flur rumwandern, die vor ein paar Tagen „ordentlich“ entlassen wurden. Anscheinend hat´s hier doch nicht draußen im echten Leben geklappt. Ist ja auch keine Schwäche, eher eine Stärke, sich das einzugestehen und direkt wieder in die Klinik zu kommen. „Respekt“ !

Ich für mich hoffe, dass ich hier nicht wieder herkomme. Es war mir eine Lehre, davor, währenddessen und was danach kommt weiß ich noch nicht. Präventions-Werkzeugkasten ist am Mann, nächste Schritte und Ziele sind definiert.

Das Kamel geht trocken durch die Wüste, dann kann ich das wohl auch > Symbolik einer AA Münze.

Auch das Bewusstsein “ nur für heute und 24 h “ im „JETZT“ und im „HIER“, ist geschärft. Projekt Raus aus der Sucht ist wieder aktiv, Zoom-Selbsthilfe-Meeting direkt für morgen Mittwoch ( Entlassungstag ), den 08.06.22 Abends angesetzt.

Meine Selbsthilfegruppen bei den AA´s kenne ich in Lilienthal. Montags und Dienstags Abends.

Wer eine Gruppe für sich sucht, oder mal besuchen möchte, der klicke einfach auf das Bild und gibt seine Postleitzahl auf der Webseite an, schon wird einem das nächstgelegene AA Meeting angezeigt.

Das gibt es auch für NA´s. (Narcotics Anonymous – Drogen, Medikamente )

ODER HIER ZU DEN ONLINE MEETINGS ( geht über jedes Handy )

TAG 15 – Die Abreise und zurück ins Leben / Abschluss Gespräch Psychologin Fr. S.  – 08.06.22 – Mittwoch

Noch weiß ich nicht, wann ich entlassen werde, bzw. wann mein Abschlussgespräch stattfindet. Ich habe letzte Woche am Donnerstag ( also rechtzeitig und schriftlich ) darum gebeten, zeitnahe gehen zu dürfen und auch zeitnahe zu erfahren, wann am Mittwoch den 08.06. mein Abschlussgespräch stattfinden wird. Eines weiß ich ganz sicher, mein Bus fährt um 12.07 Uhr los und diesen werde ich nehmen, komme was da wolle.

Mit der Heimfahrt per Bus und Bahn schließe ich das Kapitel “ qualifizierte Entgiftung “ für mich ab und gehe meinen weiteren Weg im Leben. Dies mit der Gewissheit, dass ich nie wieder ganz Gesund werde. Ich werde einen Weg finden, mit meiner Suchtkrankheit abstinent, zufrieden und dankbar leben zu lernen.

Nachtrag: An diesem Tag begegnete mir Frau Sommer bereits um ca. 8:15 h im Flur. Sie meinte direkt, wir machen unseren Termin direkt frühs so gegen 9 / 9:30, damit ich zeitig loskomme. Wow, so fängt der Tag gut an, Frau S. kam mir somit mehr als entgegen und ich habe mich gefreut, neben meiner guten und fröhlichen Aufbruchsstimmung am Abreisetag. Im eigentlichen Abschluss Gespräch haben wir uns wieder sehr gut verstanden. Ich konnte nochmals von meiner Aufarbeitung und meinem Blog hier erzählen. Dies ist auf großes Interesse gestoßen. Fr. S. war ein wenig beeindruckt, vor allem, dass ich aufgrund mangelnden Therapieangebotes einfach die Zügel selbst in die Hand genommen hatte und in der Aufarbeitung und auch Zielsetzung für die Zukunft schon so weit war.

Ich sollte dann auch noch bleiben, bis zur Visite durch die Oberärztin Fr. Dr. H. Kein Problem. Frau S. meinte sogar, damit ich nicht zu lange warten muss, versuchen die, mich direkt Anfangs dran zu nehmen. Dies hat auch sehr gut geklappt, die Visite war gut, ich konnte mein Wohlbefinden, meine Fortschritte und meine Pläne für „nach der Klinik“ schildern. Mir wurde lediglich von medizinischer Seite geraten, meinen Blutdruck im Auge zu behalten und regelmäßig zu kontrollieren, evtl. eine Langzeitblutdruckmessung über den Hausarzt anzustreben.  Um 11.15 war ich dann mit allem durch, die Entlassungspapiere waren auch schon fertig, alles Tip Top. DANKE hierfür !

RÉSUMÉ – AMEOS Klinik Seepark in Geestland – meine Sicht der Dinge –

Ameos ist ein Acronym aus den Vornamen der Gründer Axel (A) und Martin (M) und Eos, aus dem Altgriechischem für die aufgehende Sonne.

Persönliche und subjektive Bewertung aus meiner Sicht, zum Aufenthalt in der Klinik.

AMEOS in Zahlen: Hier schon mal die Fakten, wir sprechen über eine Konzerngruppe und somit über das wirtschaftliche Ziel der Gewinnmaximierung. Mehr sage ich erstmal hierzu nicht. 

Gründungsjahr:

2002

Anzahl Einrichtungen:

103

Anzahl Standorte:

57

Anzahl Betten/Plätze:

10.000

Anzahl Mitarbeitende:

17.000

Die derzeitige Bilanzsumme der AMEOS Gruppe beträgt rund 900 Mio. Euro.

Unternehmensbereiche

AMEOS Krankenhäuser und Poliklinika 76 Einrichtungen
AMEOS Pflege und Eingliederung 27 Einrichtungen

Personal /Angestellte, Pflegekräfte, Ober- und Stationsarzt(in), Psychologinnen auf Station 2E würde ich mit 4 von 5 Sternen bewerten.
Der Personalnotstand liegt auf der Hand. Die o.g. Angestellten geben aus meiner Sicht das Beste. Das verdient RESPEKT und ANERKENNUNG und ein Wort dass ich nur selten ausspreche oder schriftlich vergebe: „HOCHACHTUNG“

Leider fällt bei dem Überbegriff “ qualifizierte Entgiftung ein Teil von 50 % “ aus. Man wird fürsorglich, empathisch und medikamentös  bei der körperlichen Entgiftung begleitet. Alles weitere wie Sport, Selbsthilfegruppen, Ergotherapie Progressive Muskelentspannung, Rückfallprävention oder auch die Anzahl der psychotherapeutischen Gespräche sind nicht verfügbar oder in notwendiger Quantität nicht vorhanden. Sicherlich auch darauf begründet, dass diese Station eine Art Auffangbecken für Akutfälle ist und es keine Einrichtung für einen Daueraufenthalt ist. Dennoch gibt es hier Menschen, die teilweise schon mehrere Monate da sind. Da ich in der Weser Ems Klinik eine Langzeitentwöhnung machen durfte ( mit allem drum und dran was Therapie angeht ), ist es mir etwas unverständlich diese Menschen solange hierzubehalten. Es gibt die Möglichkeit im Haus über den Sozialdienst die Formulare G410 und G110 auszufüllen und eine Therapie in einer auf das Krankheitsbild abgestimmten Klinik zu beantragen. Aber hier auch wieder ganz klar, nicht meine Baustelle bzw. mein Ziel das zu verbessern. Ich kann lediglich aufgrund meiner Erfahrungen meine Meinung schreiben.  Seit dem letzten Jahr gibt es sogenannten REHA Lotsen… einfach mal googlen was das ist. Kann evtl. helfen, wenn man es wirklich ernst meint und wenn es eilt!

Personalnotstand / Einsparmaßnahmen und evtl. mangelnde Investitionsbereitschaft der Konzerngruppe ist auch nicht meine Verantwortung. Es ist  wissenschaftlich erwiesen, dass z.B. Suchterkrankungen ein Rückfallrisiko von 70-80 % beinhalten, dann ist fehlende Investitionsbereitschaft in ganzheitliche Therapieangebote nachvollziehbar, aber nicht moralisch und ethisch vertretbar, da es wie immer und überall ums Geld geht.

Ich werde diesen Link in die Konzernzentrale des AMEOS Gruppe senden, da die Bewertungsbögen hier im Hause nicht wirklich die Möglichkeit gestatten, eine Meinung auf die oben beschriebenen Punkte kund zu tun. ….. und JA, ich haben den Bogen ausgefüllt und  JA, das Essen und die Sauberkeit sind gut.

Was gibt´s zu Essen ?

Die Portionen sind überschaubar, aber reichen allemal aus. In der Station wird sich sehr oft über die Größe der Portionen beschwert, es wird leider nicht gesehen, was täglich über bleibt und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird, auch wird nicht wirklich wahrgenommen, was alles weggeworfen wird (gruselig und Wohlstandgesellschaft mit jammern auf hohem Niveau). Somit hier auch ganz klar, alles gut und es wird hier keiner den Hungertot sterben. Ich kam mit 83 kg an und wiege jetzt 89 kg. Was gibt es da noch zu sagen. Körper entgiftet, Körper aufgebaut, geistig klarer als im letzten halben Jahr, gute Basis für die Zukunft bzw. die nächsten 24 Stunden.

Hier ein Danke an die Küche und die Reinigungskräfte, die natürlich ebenfalls 4 von 5 Sternen erhalten.

An den AMEOS Konzern, damit in diesem Bereich,

(Angebote neben der körperlichen Entgiftung)

auch die Sonne aufgeht.

Verbesserungsvorschläge:

1) Änderung des Bewertungsbogens für mehr Platz zum „schreiben“ und Fragen wie etwa “ Fanden Sie das therapeutische Angebot ausreichend ?“
 2) Investition in Personal um für ausreichende Angebote für die Patienten zu sorgen ( Struktur / Stabilität / Rückfallprophylaxe…)

3) Proaktives Vorgehen von Klinik zu Patient. bzgl. Langzeittherapie Möglichkeiten(passende Einrichtung für versch. Krankheitsbilder, damit es im Anschluss weiter geht und das Rückfallrisiko minimiert wird)

Grundsätzliches &  Kernaussage mit Kritik an die AMEOS Gruppe: Leider besitzen die meisten Patienten nicht das Vermögen sich selbst zu therapieren oder einen eigenen Weg zu finden, viele Patienten, streunen hier planlos rum, haben keine Therapieangebote in ausreichender Form und wissen nach der Klinik nicht weiter. Die Frage die ich mir stelle, was unterscheidet nun eine qualifizierte Entgiftung hier im Seepark zu einem normalen Krankenhausaufenthalt bei dem es rein um körperliche Entgiftung geht? Was bedeutet “ qualifiziert „?

Kernbotschaft: Personal aufstocken, um neben der körperlichen Entgiftung ein ausreichendes Maß ( was aktuell in keinster Weise vorhanden ist ), an Selbsthilfegruppen, Motivationsgruppen, Anzahl der Psychotherapeutischen Gespräche und weiteren, tagesfüllenden und sinnvollen Maßnahmen, den Patienten während des Aufenthaltes zur Verfügung zu stellen.

Wenn ein persönlicher Austausch, ein Interview von Ameos gewünscht ist, stehe ich gern zur Verfügung. 

Beste Grüße, Robert G, im Juni 2022

KONTAKT

Visuelle Eindrücke während meines Aufenthaltes in der Klinik