Photography: PIXABAY -lizenzfrei

Regenerative Pause – Winterschlaf – Verdauen beendet – Inventur – auf zu neuen Stränden und Stürmen

Hallo liebes Tagebuch,

ich war für eine kurze Zeit im Winterschlaf, oder besser gesagt, ich habe mal richtig Tempo rausgenommen, erlebtes verarbeitet und meinen Weg seit dem 04.11.2022 Revue passieren lassen. Seit dem Startdatum der Entgiftung sind nun sage und schreibe 64 Tage vergangen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ein Großteil unseres Verhaltens läuft unbewusst ab, wird gesteuert durch Gewohnheiten. Durch Rituale und Routinen. Die Wege im Ort sind immer derselben, ebenso morgens der erste Griff zum Kaffee. Es sind diese gefestigten Automatismen, die uns das Leben einerseits erleichtern, weil sie unseren Denkapparat nicht unnötig belasten. Ein Leben auf Autopilot kann unseren Alltag aber auch belasten – vor allem, wenn die Gewohnheiten schädlich sind und wir diese Gewohnheiten ändern wollen. In der Regel spricht man davon, dass eine wirkliche Veränderung sicherlich von innen und mit der Bereitschaft für Veränderung passieren sollte. Dafür sind ebenfalls die berühmten 60 Tage ein guter Zyklus für den Menschen. Nun gut, am Tag 64 der Reise kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich viel erlebt, erleidet, überstanden und gelernt habe.  In der Entgiftung habe ich einmal geschrieben, selbst eine Reise mit 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt, nun habe ich einige Schritte  gemacht, bin aber noch lange lange nicht am Ende der Reise. So wie ich es begriffen habe, ist es wichtig ein Reiseziel zu haben, das kann sich während der Reise auch ändern und es ist nicht wirklich wichtig es zu erreichen. Das A und O ist dann doch der Weg, den man täglich beschreitet, am besten immer im „JETZT und HIER“. An einem Tage gut, am anderen nicht so gut, aber beides gehört dazu….. und

„ES IST OKAY so!“

Inventur – Der Blick von Außen auf mich selbst

Was passierte in den einzelnen Phasen bei mir?

Phase 1: Impuls zum Wandel

In dieser Phase ist viel passiert. Mein Hund ist verstorben, ich war seit Wochen / Monaten in ständigen Rückfällen verstrickt. Meine Beziehung, mein Umfeld und meine Arbeit konnte ich nicht mehr richtig wahrnehmen. Dies waren alles Impulse die meine innere Stimme mehr als lauft rufen lassen haben “ Lass Dir helfen, Du schaffst das nicht alleine!“ Somit war ein radikaler Strategiewandel mehr als angesagt, denn so hätte das nicht weitergehen können.

Phase 2: Aufbruch

Der Aufbruch,  das in „Bewegung setzen“ ist oftmals eine Motivations-Mischung zwischen gewollt und ungewollt, aber unvermeidbar. Gewollt auf jeden Fall, gehindert allerdings durch die alkohol-, tabletten- und drogenverseuchte „Geistesgegenwart“, oder besser gesagt: NICHTGEISTESGEGENWART. Die Initialzündung zum Aufbruch hat mir mein verstorbener Hund gegeben. Anfangs mehr als dramatisch und schmerzhaft dieser Verlust, dann eine Art Befreiung und die Suggestion“ Mein Hund ist gegangen um mir selbst den Weg frei zu machen um loszugehen“. Dies war notwendig um den gesamten Veränderungsprozess in Bewegung zu setzten. Sonst würde ich vielleicht immer noch in einem totalen Kontrollverlust mich selbst und meine Umwelt schädigen und zerstören. Somit DANKE ADA !

Phase 3: Schock

Durch eine Einweisung und mit der letzten Kraft habe ich mich in die Entgiftung begeben. Dort galt es erstmal wieder auf den Boden zu kommen und dem ganzen ins Auge zu sehen. Was habe ich getan, wo bin ich, warum bin ich hier…. harte Phase und Erkenntnis, die man sicherlich als Schock bezeichnen kann.  Schock, Starre, Überraschung, Angst vor der neuen Situation oder auch Unverständnis. Diese Emotionen haben mich im ersten Schritt  zu einer reduzierten Produktivität und Aktivität geführt. Ich war erstmal Platt und musst nüchtern werden.

Phase 4: Verneinung

Nach dem ersten Schockzustand hat sich ein unglaublicher innerer Dialog zu erkennen gegeben. Irgendwie habe ich alles in Frage gestellt, mein Leben, meine Vergangenheit, den Aufenthalt in der qualifizierten Entgiftungsklinik. Plötzlich bin ich irgendwie in Osnabrück, weit von zu Hause, aufgewacht. Ungewohntes Umfeld, Krankenhaus, Schlauch am Arm, Kater in der Birne, Zittern am ganzen Körper….ohhhh Mann! In solchen Reaktionen manifestiert sich die Angst, gewohnte Strukturen und Teile der vertrauten Umgebung zu verlieren und es entstand ein Gefühl der Abwehr und Verneinung.

Phase 5: Rationale Einsicht

Ich habe dann irgendwann und irgendwie erkannt, dass ein Wandel unvermeidbar ist, vielleicht sogar dringend notwendig ist und das meine ablehnende Haltung überhaupt nichts bringt. Und mit dem Wandel meinte ich mich selbst und nicht die Gegebenheit, dass ich in Osnabrück war, dieser metaphysische war ja schon vollzogen. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt eine Art tiefergehende Bereitschaft die eigenen Verhaltensweisen grundsätzlich zu überdenken und zu verändern, noch nicht wirklich vorhanden ( greifbar, sichtbar, spürbar, anwendbar…..usw. ). Ich habe in dieser Phase lediglich oberflächliche Veränderungen versucht und teilweise auch wahrgenommen, es waren die kurzfristigen Lösungen, die mich zum Tag 64 ( bis heute und hier her ) gebracht haben. Und hier bestätigt sich mein akribisches Verhalten, jeden Tag in der Entgiftung Tagebuch zu schreiben, dies nicht mit der Idee ein Buch zu schreiben, sondern sich lediglich nur jeden Tag die Dinge von der Seele zu schreiben. Dies hat ja bis heute angehalten, lediglich die Frequenz der Einträge hat sich mit dem oft zitierten und nun verinnerlichten : “ Robert, nimm Tempo raus“ ausbalanciert.

Phase 6: Emotionale Akzeptanz

Hier in der FK wird immer von „radikaler Akzeptanz“ gesprochen. Ja ist ja gut, davor musst ich allerdings erstmal die „emotionale Akzeptanz“ irgendwie in den Griff bekommen. Das war sehr hart und hat mich in das ein oder andere heftige Derpi LOCH gebracht. Die Aussage “ die Dinge sind wie sie sind“…wurde plötzlich sehr schwammig, grau und nebulös…nicht mehr klar und einfach zu handhaben.  …. und da war wieder der „Schwarze HUND“ – Wie ich meine Depression an die Leine legte – ( Buch ), dass mir sehr dabei geholfen hat, diese Krisen zu überstehen. ( umkehrende Psychologie und so weiter….) Unten am Boden konnte ich nun nicht nur gewohnte Verhaltensweisen verlassen, sondern alte Verhaltensweisen mit einer gewissen Distanz und dem Blick von Außen bei mir selbst betrachten. Gutes Gefühl…aber irgendwie auch unheimlich und ungewohnt. Der Prozess der Veränderung hat begonnen und eine klarere Neuorientierung war tief in meinem inneren zu versprühen. Ohne mein digitales Tagebuch wäre ich wohl nicht wirklich soweit gekommen. Ich habe viele Situationen und Empfindungen im Tagebuch niedergeschrieben, normalerweise hätte ich davon mindestens schon 80 % vergessen und nicht mehr parat. Dank der Aufzeichnungen konnte ich sehen, dass ich unheimlich viele „BUCHSTABEN mit situativem Sinne“ dort reingegeben habe und aus heutigem Stand des Nachlesens und der draus resultierenden Reflexion wenig aber konkrete und klare Dinge wieder „raus“ – bzw. „hochholen“ kann. Somit Danke Tagebuch, Du gibst mir die echte Chance für die Neuorientierung mit gutem Rüstzeug in einer Phase des Auf- und Umbruchs. & gut gemacht Robert, dass Du dran geblieben bist…am täglichen schreiben und schreiben und schreiben….. so wäre es auch optimal für die Zukunft am dranbleiben im Sinne von „lass das erste Glas stehen“ … Tag für Tag!

Phase 7: Ausprobieren, Lernen

Während ich diese Zeilen jetzt und hier gerade schreibe, fange ich an, mit der Situation wirklich umzugehen. Es entwickelt sich nach vielen epischen, philosophischen und literarischen Ergüssen von mir, eine Art NEUGIERDE auf die neue Situation. Durch das aktuelle Ausprobieren neuer Strategien verbunden mit meinen guten Ressourcen entstehen neue Verhaltensweisen und -muster. Es ist nicht sicher gestellt, dass dies alles von Erfolg gekrönt sein wird. Ich habe begriffen, dass wenn ich sage: „ES IST OKAY“, dass sich dahinter immer der Erfolg und der Misserfolg verbirgt und das das ganz normal ist. Dies zum Thema Umgang mit Gefühlen, auch wenn diese nicht gut sind, sie gehören dazu, sie bringen einen nicht um und man kann sie aushalten ohne direkt zu Substitutionen zu greifen um den Schmerz zu betäuben. Betäuben heißt letztendlich nur kurzfristig verschieben und nicht die Emotion kennen zu lernen um damit in Zukunft umgehen zu können.  Also Robert, auf zu neuen Ufern mit sonnigen Stränden und gewaltigen Stürmen!

Phase 8: Erkenntnis

Aktuell beginnt die Phase, oder ich bin mitten drin, der Erkenntnis. Die Veränderung hat etwas GUTES, da man ALTES hinter sich lässt. Durch erste Erfolge in dieser Phase kann ich sicherlich auch Misserfolge besser wegstecken als ich es früher im alten Trott gemacht habe, bzw. ich habe es nicht gemacht, ich habe es betäubt und nicht weggesteckt und verarbeitet. Aktuell verspüre ich eine Erweiterung meiner Fähigkeiten und das Vermögen Handlungen in den Alltag zu integrieren, diese mit der Neuorientierung > ICH TUE ES ANDERS und ES HAT BEGONNEN.

Phase 9: Integration:

Was die nächsten Tage / Wochen bringen vermag ich heute noch nicht zu sagen. Ich habe allerdings aus dem Tagebuch gelernt, mache es in kleinen Schritten, akribisch und fortwährend mit einer großen Portion Stabilität. Wenn ich das mit der Erkenntnis der Phasen 1-8 nun machen werde, dann denke ich das neue Handlungs- und Verhaltensweisen vollständig in mein Leben, in meinen Alltag ( auch nach der Fachklinik ) integriert werden können und zu guter Letzt als selbstverständlich erachtet werden können. Ich bin mir darüber bewusst, dass ein solcher Prozess, wie er noch vor mir liegt, ein gewisses Maß an Zeit und Kontinuität benötigt. Ich würde das als „Veränderungskompetenz“ in mein Ressourcenvermögen gern mit aufnehmen.

Somit, Robert…. alles gute auf Deinem weiteren Weg durch Tal und über Berg….